Max, liebevoll Mäxchen genannt. Ein kleines ‚Mäuschen‘, mit grauen, trüben Augen, völlig verkrampft und hilflos, platzte mit sieben Monaten im Januar 1991 von jetzt auf gleich in unser Leben. Die leiblichen Eltern ließen ihn einfach im Krankenhaus zurück.
Dass dem körperlich und geistig schwerst mehrfach behinderten Max eine Lebenserwartung von nur einem Jahr gegeben wurde, erfuhren wir erst ein halbes Jahr später.
Max stellte unser Leben völlig auf den Kopf. Er trank nicht, erbrach alles, was wir mühsam sondiert hatten und wollte 24 Stunden getragen werden. Aber der Kampf lohnte sich: Max bekam klare Augen, erkannte unsere Stimmen und immer häufiger huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Max war angekommen – und sollte auch nicht mehr gehen. Er bestimmte von nun an zwar den Tagesablauf, aber das war für uns und unsere drei weiteren Kinder völlig ok. Max wurde ein Teil unserer Familie. Wir sind durch Höhen und Tiefen gegangen, denn Max war oft schwer krank, auch mit der Angst, dass er es nicht schafft. Aber je älter Max wurde, desto stabiler wurde er. Seine dauerhafte Begleitung durch Kindheit und Jugend bis ins Erwachsenenalter wurde unsere Lebensaufgabe.
Unsere anderen Kinder sind inzwischen aus dem Haus, wir sind aus Berlin weggezogen und im Rentenalter. Natürlich haben wir uns die Frage gestellt, was mit Max wird, wenn wir mal nicht mehr können. Vor vier Jahren haben wir den Schritt dann gewagt und Max ist in die Pflegeeinrichtung ‚Hausgemeinschaften am Priwall‘ gezogen, ganz in der Nähe von unserem Wohnort. Der Gedanke war, dass wir Max begleiten können, dass er das Haus, das Pflegepersonal und alle, die sich um ihn bemühen, langsam kennenlernen kann. Max fühlte sich gleich wohl – nur ich nicht. Ich als Mutter musste erst lernen loszulassen und meine neu gewonnene Freizeit zu genießen. Bisher war ich rund um die Uhr für Max da und plötzlich war alles anders, vieles wurde ganz anders gemacht, es war sehr schwer. Inzwischen geht es uns aber allen gut, denn ich weiß, dass Max gut versorgt ist und ich ja jederzeit bei ihm sein kann.
Karin Pohle